„Von anderer Seite betrachtet: Alles Liebe oder was?“

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Merle, 12 Jahre, aus Fulda

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Endlich waren Sommerferien. Meine Schwester Luna und ich saßen im Bus und warteten, bis es losging. Wir waren nämlich für die erste Ferienwoche zu einem Abenteuercamp angemeldet. Neugierig sahen wir uns im Bus um und beobachteten, wie zwei Jungs einstiegen. Als ich sie erkannte, wäre ich am liebsten gleich wieder ausgestiegen: Es waren die Idioten aus meiner Klasse, Marlon und Noah. Ich stupste meine Schwester an und zeigt sie ihr. Als sie sich setzen, fuhr der Bus auch schon los. „Na gut“, dachten wir uns, „wir müssen ja nichts mit ihnen machen.“ Nach einer einstündigen Fahrt kamen wir nachmittags im Stubbaital in den bayrischen Alpen an. Auf einer großen Wiese nahe eines Baches befand sich das Abenteuercamp mit einer großen Blockhütte. Hier gab es auf der hinteren Seite Toiletten und Duschen, vorne würden wir unsere Mahlzeiten zu uns nehmen. Zuerst aber  bauten wir unser Zelt auf. Luna und ich fanden zwischen Büschen versteckt einen schönen Platz dafür. Unsere Betreuer Sarah und Peter sagten, dass wir unseren Zelten Namen geben sollten für unsere späteren Gruppenarbeiten. Also nannten wir unseres: Regenbogen, weil es so schön bunt war. Darüber war es langsam Abend geworden. Wir gingen in die Blockhütte, dort gab es Abendbrot. Danach machten  wir ein paar Kennenlernspiele, bevor wir uns in unsere Zelte verkrochen. Am nächsten Morgen gingen wir wieder in die große Gemeinschaftshütte. Nach dem Frühstück wurden wir gleich in Gruppen eingeteilt. Heute sollte ein Orientierungslauf stattfinden, damit wir uns rund ums Camp gut zurechtfinden konnten. Dafür hatte Sarah schon Zettelchen vorbereitet, hierauf sollten wir die Zeltnamen schreiben. Anschließend sammelte sie Peter in einer Box ein. Sarah zog für die erste Gruppe zwei Zettelchen, und was stand drauf? Regenbogen und die Coolen. Luna und ich wussten sofort, dass die Coolen  Marlon und Noah waren. Entsetzt sahen wir uns an. Ich flüsterte: „Wir haben aber eine Pechsträhne!“ Nachdem alle Gruppen eingeteilt waren, bekamen wir ein GPS-Gerät mit den ersten Koordinaten. Natürlich nahm es Noah sofort entgegen und tippte die Koordinaten ein. Nach einem anstrengenden Tag , an dem wir über Baumstümpfe sprangen, auf Berge kletterten und uns auf dem Rückweg an einem Seil über den Bach hangeln mussten, gab es endlich ein schönes, gemütliches Lagerfeuer. Noah und Marlon nahmen sich natürlich als erste einen dicken Klops Teig aus der Schüssel und wickelte es so dick um den Stock, dass man vorher schon wusste, dass es runterfallen würde. Wir nahmen erst einmal wenig zum Ausprobieren. Schwups, da lag das Brot von Luna auch schon in der Glut. Traurig schaute sie das brennende Brot an – ein Blick in die Schüssel hatte ihr gezeigt, dass der Teig schon leer war. Noah kam auf uns zu. Wir wussten schon, dass er etwas Blödes machen oder sagen   würde. Aber zu unseren Erstaunen gab er meiner Schwester ein großes Stück von seinem Stockbrot ab. Wir sahen Noah ungläubig an. Ich dachte: „Vielleicht ist hinter der Angeberfassade ja doch ein netter Junge!“ Als wir wieder in unseren Zelten lagen, waren Luna und ich ziemlich müde und schliefen sofort ein. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück warteten Marlon und Noah schon ungeduldig auf uns. Sie stöhnten gelangweilt: Wir warten schon eine halbe Stunde auf euch, es wird aber auch Zeit. Ihr kommt in letzter Minute.“ Ich murmelte: „Da hatte ich mich gestern Abend wohl doch in den beiden geirrt.“ Heute stand ein Hindernisparcour mitten im Wald an. Es sollte ein Wettlauf zwischen den Gruppen ausgetragen werden. Wieder bekamen wir Koordinaten, die sich diesmal meine Schwester samt GPS-Gerät vor Noahs und Marlons Nase wegschnappte. Sie tippte die Koordinaten ein, nahm mich bei der Hand und rannte los. Noah und Marlon wussten gar nicht, wie ihnen geschah. Überrascht spurteten sie hinter uns her. Die ersten zwei Hindernisse waren noch leicht zu überqueren, beim dritten Hindernis lag ein dicker Baum quer über dem Weg. Ich kam heil darüber, aber Luna blieb an einem Ast hängen und fiel hin. Sofort schrie sie laut auf und hielt sich mit  schmerzverzerrtem Gesicht ihren Fuß. Als Noah und Marlon auch endlich ankamen, sahen sie meine Schwester am Boden liegen. Die Freunde halfen Luna auf und stützten sie. Vorsichtig versuchte sie, aufzutreten. Aber ihr Fuß schmerzte so sehr, dass sie sich sofort wieder hinsetzte. Und was jetzt kam, erstaunte uns beide. Die Jungs nahmen Luna in die Mitte, fürsorglich und kräftig stützten sie sie auf dem Weg zurück ins Camp. Kein böses Wort fiel, ganz im Gegenteil. Immer wieder erkundigten sie sich, ob sie noch Kraft hätte. Ich wunderte mich sehr, dass sie wegen des Wettbewerbs nicht sauer waren. Zurück im Camp stellte sich heraus, dass der Fuß nur verstaucht war. In zwei, drei Tagen würde sie wieder laufen und rennen können wie vorher. Während dieser Zeit halfen uns Noah und Marlon, wo sie nur konnten. Die restlichen Tage verbrachten wir vier von morgens bis abends zusammen. So ging das Camp schneller zu Ende, als uns lieb war und wir saßen wieder in dem Bus für den Rückweg. Auf der Fahrt träumte ich, dass das Camp noch ein Jahr dauerte und wir vier Freunde noch viele spannende Abendteuer erleben würden. Auf dieser Fahrt waren unsere Gedanken und Gefühle ganz andere als noch 7 Tage zuvor. Zu Hause angekommen, stiegen wir alle vier mit einem Kribbeln im Bauch aus. Alles Liebe oder was?