„Seelenverwandt“

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Andreas, 13 Jahre, aus Klagenfurt, Österreich

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Es war einmal in einem fernen Land, dort lebten drei Brüder. Der älteste von ihnen hieß Ferdinand. Stark war er und begabt und bestrebt, eines Tages ein großer Schmied zu werden. Der zweite Knabe hörte auf den Namen Franz. Auch auf ihn konnte man zählen. Er wusste zwar noch nicht, welches Handwerk er später ergreifen würde, jedoch brauchte er sich da keine Gedanken zu machen, da der kräftige Junge keine halben Sachen machte. Jedem im Dorf war klar: egal, was Franz arbeiten würde, er würde es gut machen. Heinrich aber, der jüngste Sohn, hatte es schwer. Es gab keine besonderen Eigenschaften, die seine Brüder an ihm schätzten. Höchstens, dass sie jemanden hatten, den sie ärgern konnten. „Heinrich, bring uns jetzt sofort das Abendessen, du Nichtsnutz!“, rief da der betrunkene Ferdinand nun zum dritten Mal. Der jüngste Sohn musste schon seit langem für seine gemeinen Brüder kochen, waschen und noch alles andere, was sie sonst hätten machen müssen, erledigen. „Wieso?“, hatte er einmal gefragt, als er noch jünger war. Ein schwerer Fehler, denn da zog ihn Franz schon an den Ohren und zischte: „Weil du sonst in einem Bett voller Nägel schlafen musst, und das willst du sicher nicht, oder?“Seither wusste Heinrich, wer das Sagen hatte, nachdem sein geliebter Vater einer schweren Krankheit zum Opfer gefallen war. So vergingen die Tage und es sah immer schlimmer für den kleinen Bruder aus,  bis zu dessen 17. Geburtstag. Da beschloss der Knabe, es seinen Geschwistern zu zeigen: Als diese ihre Kleider abwarfen, um im kühlen Fluss ein Bad zu nehmen, legte Heinrich ihnen Brennnessel in die Wäsche. Als die zwei garstigen Brüder aus dem Wasser stiegen und sich anzogen, begannen sie fürchterlich zu brüllen. Später im Dorf zeigten sie allen Bewohnern ihre Blasen und erzählten ihnen, Heinrich sei mit dunklen Mächten im Bunde. Empört und verängstigt, wie die Nachbarn waren, jagten sie den Jungen in den Finsterwald in der Hoffnung, der Teufel werde ihn dort holen. Heinrich aber hatte nichts gegen sein Schicksal. Er dachte sich immerzu: „Schlimmer als bei meinen Brüdern wird es wohl nicht werden!“  Und so zog er mit neuen Hoffnungen durch den Wald, ohne zu wissen, dass er von einem grauenvollen Wesen beobachtet wurde. Als er an einer Weggabelung stehen blieb, wurde der unerschrockene Heinrich plötzlich von hinten gepackt und in die Höhe gerissen. Schon rasch begriff der Bursche, dass das mächtige Wesen, von dem er entführt wurde, ein Feuerdrache war, denn die roten Schuppen glänzten gefährlich und aus dem Maul sprühten beim Fliegen immer wieder Funken. Nach einer Weile landete das Monster in der Nähe einer Höhle. Heinrich wurde unsanft ins Innere des Loches geworfen. Als er die Augen öffnete, verschlug es ihm die Sprache. Die Steinwände waren übersät mit goldenen Ketten und Rüstungen aus blankem Silber. Aber das Schönste in der Höhle war ein junges Mädchen. Es hatte hellblaue Augen und goldblondes Haar. Später erfuhr Heinrich, dass die junge Frau die Tochter des Königs war, und dass der Drache sie vor einer Hochzeit ohne Liebe gerettet hatte. Prinzessin Lisa hatte, nachdem sie erfuhr, dass ihr Vater sie mit dem Prinzen eines fernen Landes verloben wollte, einen mutigen Plan geschmiedet. Denn gleich als sie den auserwählten Freier zum ersten Mal sah, hatte sie gewusst, dass sie ihn niemals lieben würde. Da gab sie ihrem Seelenfreund, der sie seit ihrer Geburt auf Wunsch einer mächtigen Fee beschützte, Bescheid und bat ihn, sie zu entführen. „Feurio“, so hieß der mächtige Feuerdrache, „ich gehe erst wieder zurück, wenn du einen ehrlichen und treuen Mann für mich gefunden hast, den ich wirklich lieben kann. Dann werde ich meinem Vater erzählen, dass dieser Mann mich vor dir –  dem ‚schrecklichen Monster‘ – gerettet hat, und dass ich ihn deshalb heiraten will.“, erklärte die entschlossene Königstochter. „Im Buch, aus dem mir meine Mutter immer vorliest, steht auch, dass der, der die Prinzessin vor dem Drachen rettet, sie auch heiraten darf. Also muss das ja klappen!“, dachte Lisa. Feurio hatte Heinrich erwählt und zur Prinzessin gebracht, denn er konnte in die Seele der Menschen sehen. Zuvor hatte er in Lisas Herz geblickt und dann nach ihrem Seelenverwandten gesucht  – und den mutigen Heinrich gefunden. Nachdem die beiden noch eine Nacht bei dem Drachen verbracht und zur Feier einen gerösteten Hirsch gegessen hatten, machten sie sich auf den Weg zurück ins Königreich. Zwei Tage später, als sie dort ankamen, wurde die Rückkehr der Prinzessin gefeiert, und da ihr Begleiter ihr Held und Retter war, durfte er tatsächlich um die Hand der zukünftigen Königin anhalten. Weil der Plan der Prinzessin so gut funktioniert hatte, wurde Heinrich König und lebte glücklich, wenn auch etwas verdutzt, mit seiner geliebten Frau Lisa bis ans Ende aller Tage. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Und Feurio, der hat noch in so manche Seele geblickt…