„Lichtblick“

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Cristina, 12 Jahre, aus Berlin

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Das Baby schrie endlich. Schön war es jedes Mal, aber dieses Mal war es etwas ganz Besonderes. Ich bin Hebamme, auch wenn ich erst 14 bin, aber es ist ein Familiengeschäft. Meine Mutter und meine große Schwester sind auch Hebammen. In dieser Zeit kurz nach der Pest gab es nur sehr wenige von uns im Dorf. Viele Häuser waren vom schwarzen Tod befallen, weshalb unser schon vorher kleines Dorf noch um einiges geschrumpft war. Es sah einfach nur noch trostlos aus. Aber da es außer uns nur so wenige Überlebende gab, waren wir sehr erfolgreich, denn alle schwangeren Frauen kamen zu uns. So konnten wir uns bald eine neue Unterkunft leisten. Doch das überdeckte nicht das klaffende Loch in unseren Herzen. Unser Vater war an der Pest erkrankt und starb bald darauf. Es war das Schlimmste, was uns je geschehen war, sogar schlimmer als die Hungersnot vor ein paar Jahren. Denn so mussten wir das Haus kurz nach dem Einzug schon wieder niederbrennen. Vater bestand darauf und es war wahrscheinlich auch das Schlaueste. Das Schlimmste war aber, dass er in eines der Massengräber für Arme kam. Überdeckt wurde der Schmerz auch nicht von dem großen Glück, dass es unserer Mutter bis jetzt halbwegs gut gegangen war. Meine Schwester hatte die Geburt durchgeführt. Sie hatte mehr Erfahrung und war sowieso schon immer besser als ich gewesen. Doch auch bei ihr war es natürlich nicht sicher, dass meine Mutter nicht noch Nachblutungen bekam, die sie zum Tode verurteilen würden. Welch eine große Freude und Liebe empfand ich, als ich mein zweites Geschwisterchen im Arm hielt! Ich dachte an keine meiner Sorgen, ich sah nur die wunderschönen blauen kleinen Augen meines Brüderchens. Ich dachte nicht darüber nach, dass die Pest vielleicht noch später bei uns auftreten könnte. Nein, ich dachte nur an meinen Bruder. Er war wie ein schneeweißer Schmetterling in meinem Herzen der über ein verbranntes Feld flog. Durch ihn sah ich die Zukunft, die es geben könnte und nicht die Vergangenheit, die es gab. Durch ihn sah ich wieder das Licht. Ich sah die Möglichkeiten, ich sah die Liebe.