„Ich verstand“

Eingetragen bei: Wettbewerb: Alles Liebe oder was? | 0

Christof, 15 Jahre, Gresten, Österreich

* * * * *

(FALLS MÖGLICH BEI GEEIGNETER STELLE DAS LIED GREENSLEEVES AUFDREHEN)

Ein Tag wie jeder andere es war. Ein langweiliger Abend mit langweiligen Eltern, die den winterlich- weinachtlichen Charme gemeinsam bei einem kitschigen Spaziergang ausnützen wollten. Und ich? Ich durfte alleine in meinem Zimmer sitzen und nichts tun.
Da fiel mein Blick auf das inzwischen verstaubte Wandklavier, und da ich ja sowieso nichts Besseres zu tun hatte, grübelte ich nach, welches Lied ich noch darauf spielen konnte. Mir kam nur Greensleeves in den Sinn, und ich versuchte es. Als dann die Hämmerchen sanft auf den Saiten aufschlugen, und Töne den düsteren Raum erhellten, war ich wie gefesselt. In einer Art Starre, doch die Finger schwebten wie von alleine weiter über die Tasten. Und da sah ich ihn vor mir. Den Wald, der eine beruhigende Stille versprach. Es lag etwas Geheimnisvolles zwischen den Bäumen. Die schimmernden Schneeflocken zu meinen Füßen flatterten aufgrund meiner Schritte durch die Luft, und ohne zu wissen wohin ich gehen wollte, trugen mich meine Füße durch die Landschaft. Etwas in mir wusste wohin ich will, doch ich kannte das Ziel nicht. Auf einer sanften Erhebung angekommen blickten meine Augen auf eine zarte Rauchsäule, die aus dem Schornstein einer kleinen Holzhütte kam. Sie zog mich magisch an, und als ich vor der Tür stand, erklang eine ruhige Stimme und sagte mir „Komm doch herein.“ Ich öffnete die massive Holztür und fand mich in einem warmen, vom Feuer erhellten Raum wieder. Vor dem Kamin saß mit einer Decke zugedeckt ein alter Mann. Er nickte mir zu und deutete auf den Schaukelstuhl neben ihm. Ich setzte mich also, worauf all die Last die ich mit mir trug von mir abfiel. Mein Kopf war klar, und ich in vollkommener Zufriedenheit. „Es ist weise, sich zu lösen“, sprach der Alte. „Wer seinen Weg geht, und es fühlt, was es wirklich ist.“ „Was?“, dachte ich mir, doch er sprach weiter „Damals war alles noch anders. Die Kälte, das wärmende Feuer und der Zusammenhalt schufen eine Atmosphäre, die diese besondere Zeit ausmachte. Jeder wusste warum es sie gibt, und es war nicht der Grund, dass die Kaufhäuser viel Geld verdienten, und auch nicht, dass jeder übertrieben und ungewollt freundlich war. Es war die Besinnung, die Erinnerung. Wir lernten das Gefühl der Richtigkeit noch kennen, als wir in der Kirche saßen und froren, doch unser Innerstes und unsere Seelen waren warm. Wir gaben mit Richtigkeit, und nahmen mit Dankbarkeit. All das hat sich verändert. Auch der Tod hatte noch eine andere Bedeutung, denn damals kamen die Menschen in den Himmel, und zugleich blieben sie. Sie wurden nicht vergessen, sie wurden ihm überlassen. Heute kommen sie auf den Friedhof, um ein Grab neben vielen zu sein.“
Schweigen trat ein, und durch die Augen des Alten konnte man in die Vergangenheit blicken. Sie zeigten den Hunger, den Zwang es akzeptieren zu
müssen und das Glück. Es kam zu jedem, der daran glaubte. An das, dass alles Sehbare nur ein unbedeutender Teil war. Wichtiger war der Innere Frieden. Die Zufriedenheit und der Einklang, den kein Ding dieser Welt bringen konnte. Es kam zu denen, die daran glaubten, dass es mehr gibt. Die, die wussten, dass das nicht aus Fleisch und Blut bestand.
„Er kann glücklich machen, der Wohlstand, doch jene Glücklichen die das Nicht-Greifbare erlebt haben, erkennen, dass er nicht reicht. Er macht kurzfristig glücklich, doch nicht über lange Zeit. Das Wissen um des Höheren hält einem immer aufrecht.“
Als der Alte meinen vertieften Gesichtsausdruck sah, schmunzelte er nur und sagte mir „Ich werde dir heute ein Geschenk mitgeben, und du wirst es finden, wenn es an der Zeit dazu ist. Die Zeit dazu wird kommen, und auch du wirst es weitergeben. Es ist ein Geschenk, das nur selten verschenkt wird, und das man um kein Geld der Welt kaufen kann.