„Die Wahrheit“

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Marco, 14 Jahre, und Rafael, 13 Jahre, aus Wien

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Im fernen Osten, so erzählen die Weisen, gab es ein heiliges Kloster, wo viele Jungen versuchten ein speziell ausgebildeter Mönch zu werden. Sie lernten geheime Künste und viele undurchschaubare Kampftechniken vom Sensai. Die Schüler Aron, Yari, Kumite und Jakaris waren alle sehr durchtrainierte Jungen. Seit einem halben Jahr besuchte auch der Bube Ken die Klosterschule. Dieser war blind auf die Welt gekommen. Der Lehrling wurde oft wegen seiner Behinderung verspottet, nur Kumite tat dies nicht. Dieser stand als einziger an seiner Seite, ansonsten hatte Ken keine Freunde. Eines Tages, alles schien wie ein regulärer Tagesablauf, mit den wie immer schweren Trainingskämpfen, erfuhr Ken etwas, was er eigentlich nicht wissen sollte, ihn zugleich glücklich aber auch traurig machte. Es war ihm sofort klar, wann dieses Geheimnis ans Tageslicht kam, zumindest ein Mensch sterben würde. Dieser Tag begann mit einem kalten Morgen, Ken war wie üblich als erstes wach. Beim Vormittagstraining war Ken voll dabei. Doch irgendwas war anders. Er merkte, dass sich Kumite komisch verhielt und nicht konzentriert war. Der Mitschüler wollte anscheinend andauernd Ken etwas Wichtiges sagen. Ken nutzte eine kurze Pause und setzte sich zu Kumite, welcher zögerte und nur meinte, er erzähle es später. Der blinde Junge respektierte den Wunsch seines einzigen Freundes. Es handelte sich hier anscheinend um ein Thema, von dem Kumite nicht sicher war, ob er es teilen wollte. Einige Stunden voller harten Trainings vergingen, bis es endlich zu Ende war. Ken fragte Kumite, was er denn habe. Schließlich erzählte er es Ken. Er sagte, er sei in Wirklichkeit ein Mädchen. Ken fragte, wieso er oder, besser gesagt, sie es erst jetzt und nicht früher mit der Wahrheit herausgerückt war. Kumite wies darauf hin, dass in zwei Tagen das Ritual wäre. Beim Ritual mussten die Jungen zum Abschluss ihrer Ausbildung mit nacktem Oberkörper kämpfen als Zeichen der Reinheit und Verletzlichkeit. Ken verstand es und meinte, er helfe ihr, so gut er nur kann. Es brach ein neuer Tag an. Alle freuten sich, denn es war heute kein Training, nur Kumite nicht – sie musste nachdenken, was sie morgen machen sollte, um nicht aufzufliegen. Die Regel besagte, dass nur Jungen im Kloster sein durften und bei Regelverstoß drohe einem der Tod. Sie hatte Angst um ihr Leben. Kumite brach in Tränen aus. Ken tröstete sie und sagte, sie schaffe das schon. Es war Mittag und sie waren noch immer am Überlegen, wie Kumite zu retten war. Ken war aber mit seinen Gedanken eigentlich woanders, denn wenn er Kumites Stimme hörte, fühlte er etwas anderes als Freundschaft. Es fühlte sich an wie Liebe. Ken verschwieg seine Gefühle. Nach einigen Stunden wussten sie noch immer nicht weiter. Ken aber flogen die Schmetterlinge im Bauch, er verliebte sich mehr und mehr in Kumite. Doch zur Abendstunde konnte Ken es nicht mehr geheim halten und gestand Kumite seine Gefühle. Kumite war verwundert, aber tief in ihr drinnen fühlte sich Kens Geständnis wunderschön an. In Kumites Körper stieg eine zuvor nie gespürte Wärme auf. Sie war hin- und hergerissen zwischen ihrer Todesangst wegen des morgigen Rituals und ihres Gefühls in Kens Nähe. Auch sie empfand nach so langer Zeit, die sie mit Ken verbrachte, Liebe. Alle guten und schlechten Sachen machten sie seelisch beinahe kaputt. In ihrer Verzweiflung nahm Kumite ein Messer und hielt es sich an ihre Kehle. Ken spürte, dass Kumite unruhig war und er griff nach ihr. Er bemerkte etwas Spitzes und realisierte, dass Kumite sich etwas antun wollte. Er warf den Gegenstand weg und küsste sie. Ken küsste wie Kumite zum ersten Mal. Überglücklich schliefen sie an diesem Abend ein. Sogar Kumites Sorgen waren wie weggeblasen.    Doch die Sorgen holten sie gleich am nächsten Morgen ein. Der Tag des Rituals brach an und Ken und Kumite wussten noch immer nicht, was sie machen sollten. Nach dem Frühstück rief der Meister alle zusammen und erklärte den Ablauf des heutigen Tages. Kumites Nervosität stieg. Als erstes sollten sie sich für das Ritual anders kleiden. Vorgesehen waren eine blaue Hose mit goldener Stickerei und eben kein Kleidungsstück für den Oberkörper. Ken flüsterte Kumite seinen Plan leise ins Ohr. In diesem ging es um eine gemeinsame Flucht, obwohl dies bedeuten würde ihren Traum Mönch zu werden zu zerstören. Aber es ging ihnen um Kumites Leben und ihre Liebe. Währenddessen versammelten sich alle am Kampfplatz und Aron begann mit dem rituellen Kampf gegen Yari. Danach sollte Jakaris gegen Kumite kämpfen. Als Kumite den Platz betrat, starrten sie alle schweigend an. In Todesangst packte sie Ken und ihre Sachen und rannte mit ihm aus dem Kloster davon. Doch Ken konnte durch seine Blindheit nicht so schnell laufen und wurde schnell festgehalten. Kumite war schon weit weg vom Tempel als sie bemerkte, dass Ken nicht bei ihr war. Sie brach in Tränen aus. Sie wollte nicht ohne ihn sein und ging zurück, obwohl sie wusste, dass das ihr Todesurteil bedeutete. Kumite wurde sofort entdeckt und gefangen genommen. Ken musste Kumites Schreie mitanhören. Alle anderen schauten neugierig und wollten sehen wie der Meister sie mit dem Tod bestraft. Es herrschte völlige Stille, welche mit einem Ausruf von Ken durchbrochen wurde: „Wenn ihr sie tötet, dann will auch ich getötet werden!“ Der Meister zögerte nicht lange und tötete beide schweren Herzens. Ken hörte den Sensai noch etwas leise murmeln und als sie ihre Augen wieder öffneten, fanden sie sich völlig verwundert in einem dunklen Gang wieder. Beide wussten, dass sie gerade getötet worden waren, aber anscheinend irgendwie noch lebten. Am Ende des Ganges war ein Licht, zusammen gingen sie auf dieses zu. Plötzlich standen Kumite und Ken in einem wundervollen Garten. Es war ein Paradies. Ken schrie plötzlich voller Freude, er könne sehen! Ken sah das erste Mal in seinem Leben und es war so, als begänne sein Leben von neu. Ken und Kumite waren ab da für immer glücklich im Paradies vereint.