„Die Rose“

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Katharina und Lena, 12 Jahre, Bad Tatzmannsdorf und Hattmannsdorf, Österreich

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Der Regen prasselte auf meinen Kopf, und das Wasser tropfte an meinem Haar herunter. Ich zitterte am ganzen Körper. Sogar für Anfang Dezember war es ein eisiger Tag, beinahe schon zu kalt, um sich draußen aufzuhalten. Es war jedoch etwas ganz anderes, das meine Hände erzittern ließ. Es schien mir fast schon lächerlich, doch insgeheim fürchtete ich mich vor meinem Vorhaben. Ich stapfte weiter durch den Schnee, meinem Ziel entgegen. Am Ende der Straße konnte ich das kunstvoll verzierte Tor, den Eingang, sehen. Noch einmal betrachtete ich die wundervolle Rose in meiner Hand. Diese Blume war, wie ich fand, ein gutes Symbol der Liebe. Wunderschön, doch gibt man nicht Acht, sticht man sich an einem Dorn und verletzt sich. Diese Rose leuchtete in einem herrlichen Rot, und die Person, für die sie bestimmt war, liebte ich über alles. Gemeinsam mit ihr hatte ich ebenso viele schöne wie traurige Momente erlebt und sowohl Freude als auch Kummer mit ihr geteilt. Das macht meines Erachtens eine geliebte Person so besonders: Sie ist stets da, um mit dir zu lachen oder dir die Tränen vom Gesicht zu wischen. Mittlerweile ragte das große Tor vor mir in die Höhe. Die Zeit, die ich gebraucht hatte, um hierher zu gelangen, war viel zu kurz. Doch die Zeit vergeht immer dann zu schnell, wenn man es nicht möchte. Ich legte meine Hand auf den eiskalten Griff und ließ sie eine Weile dort ruhen, einfach um alles ein wenig hinauszuzögern. Die Angst vor dem, was mir bevorstand, konnte ich einfach nicht vertreiben. Schließlich öffnete ich das mächtige Tor und schritt den Kiesweg entlang. Es knirschte, als ich durch den Schnee ging, den hier wohl noch niemand weggeräumt hatte. Während ich weiter ging, schweiften meine Gedanken wieder ab. Ich dachte ein weiteres Mal daran zurück, wie ich mit diesem fröhlichen Menschen gemeinsam Abenteuer erlebt hatte, wie wir unter der Bettdecke gekichert hatten, uns gegenseitig lustige Spitznamen gegeben hatten, zusammen immer wieder Kekse von dem hohen, alleine unerreichbaren Regal geholt hatten… in Gedanken hörte ich immer noch ihr beseeltes Lachen. Jedoch erinnerte ich mich auch daran, wie wir oftmals gestritten hatten, aus Gründen, die mir heute so kindisch erschienen, und selbst daran, wie wir gemeinsam geweint und uns gegenseitig getröstet hatten. Plötzlich blieb ich stehen. Mit wackeligen Beinen bog ich nach rechts ab, um gleich darauf wieder anzuhalten. Ich war an meinem Ziel angelangt. Auf einmal schien es, als hätte ich Watte im Kopf, und ich nahm alles nur mehr begrenzt wahr. Was ich aber genau spürte, war der Schmerz. Es fühlte sich an, als hätte jemand einen Dolch in mein Herz gerammt, und die Trauer ließ meinen ganzen Körper furchtbar schwer erscheinen. Das Nächste, das ich bemerkte, war, wie mir eine kalte, nasse Träne die Wange herunterlief. Ich stand hier mitten am Friedhof, vor dem Grab meiner kleinen Schwester Lucy. Ihr Tod war erst ein Jahr her, ich war damals 15 gewesen. Jedes Mal, wenn ich seither nur ihren Namen hörte, versetzte es mir einen Stich in meinem Herzen. Ihr Verlust hatte mich schwer getroffen! Wir waren uns sehr nahegestanden. Heute wäre ihr 10. Geburtstag gewesen. Es war ein Unfall gewesen: Während sie in das Spielen mit ihrer Puppe vertieft war, rannte sie die Einfahrt entlang auf die Straße zu. Da glitt ihr die Puppe aus den Händen. Als sie dabei war, sie aufzuheben, bog plötzlich ein Auto in die Straße ein. Der Autofahrer übersah sie. Ich hatte mich damals mit einer Freundin getroffen. So hatte ich keine Zeit mehr, mich von ihr zu verabschieden. Seither verging kein Tag, an dem ich nicht an sie dachte. Schnell wischte ich mir die Tränen weg und ließ mich auf dem Grabstein nieder. Mir wurde langsam immer kälter, doch ich wollte nicht gehen. Hier fühlte ich mich ihr wieder ganz nah, und das war irgendwie tröstlich. Ich stach mir mit einem Dorn in den Finger und dachte daran, wie schmerzlich Liebe sein konnte. Dann strich ich behutsam über die roten Blüten und erinnerte mich, wie schön sie aber auch sein konnte. Ich wusste nicht, wie lange ich noch hier sitzen bleiben würde, doch was ich wusste, war, dass der Schmerz mit der Zeit vergehen würde, so wie die Dornen mit der Zeit verwelken. Doch selbst wenn die ganze Rose einmal verwelkt sein sollte, in meinem Herzen wird immer eine wunderschöne Rose für meine Schwester blühen, bis zum Ende meines Lebens, denn Liebe vergeht nie!!!