„Der Wolfsjunge“

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Carla, 11 Jahre, aus Berlin

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Der Mond warf ein unheilvolles Licht auf den im Gras kauernden Jungen. Sein leises Schluchzen durchbrach die nächtliche Stille, er erregte die Aufmerksamkeit eines Wolfes. Leise schlich sich das Raubtier an, bis es so nah war, dass es den Jungen gnadenlos zerfleischen konnte. Doch anstatt sein Leiden auf die grausame Weise zu beenden, stupste das Tier das kleine Häufchen Elend sanft mit der Schnauze an. Der Kopf des Jungen hob sich, seine Augen waren rot und geschwollen, feuchte Spuren auf seinen Wangen deuteten darauf hin, dass er bitter geweint hatte. Stumm blickte er dem Wolf mit großen Augen entgegen, er war kaum älter als 3 und doch saß er dort ganz alleine. Die Angst spiegelte sich in seinen Augen wider, ein Schatten huschte über das Gesicht des Wolfes, doch so schnell er gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder. Der Wind rauschte durch die Baumkronen, das Raubtier hatte lange genug gewartet. Er packte das Kind am Arm und war fest entschlossen, ihn aufzuziehen. Und so begann die Geschichte des Wolfsjungen.

15 Jahre waren vergangen, seitdem die Wölfin ihn aufgenommen hatte. Der Junge war nun 18 Jahre alt, genau an seinem Geburtstag verstarb seine Wolfsmutter, die Trauer saß ihm noch tief in den Knochen. Nun lief er barfuß durch den Wald auf der Suche nach etwas Essbarem, eigentlich diente sein Streifzug nur als Ablenkung. Ein Knacken in einem Gebüsch ließ ihn herumfahren, sein Körper war angespannt und er wartete auf einen Angriff. Doch was, besser gesagt, wer aus dem Gestrüpp trat, hätte er nicht erwartet. Ein Mädchen. Sie hatte goldblondes Haar und Augen, die wie Saphire funkelten. Im Allgemeinen war sie eine Schönheit, verschreckt sah die zu dem Jungen auf und trat einen Schritt zurück. „Wer bist du?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen ganz genau, seine Wolfsohren zuckten nervös hin und her, als er antwortete: „Ich bin der Wolfsjunge Romeo, aber wer bist du und was hast du so tief im Wald zu suchen?“ Das Mädchen setzte sich auf den unebenen Waldboden ohne Rücksicht auf ihr strahlend weißes Kleid zu nehmen. „Juliett ist mein Name, ich habe mich verirrt.“, flüsterte sie leise. Irgendetwas war zwischen den beiden, das spürte er, aber was, konnte er nicht bestimmen. „Ich kann dich aus dem Wald bringen, wenn du willst.“ Überrascht sah sie zu ihm auf. „Das würdest du für mich tun?“ Er nickte und ging auf sie zu, um sie auf die Beine zu ziehen. Sie ließ sich von ihm aufhelfen und musterte ihn kurz, sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Eine Weile liefen die beiden durch den Wald, die Ruhe war geradezu beruhigend. „Was bringt dich in den Wald?“, fragte Juliett ihn. „Ich lebe hier, seit ich denken kann.“, murmelte Romeo leise, es war ihm unangenehm, über dieses Thema zu reden. „So ganz allein?“, fragte sie weiter. Romeo schüttelte wie wild den Kopf. „Nein, eine Wölfin hat sich um mich gekümmert.“ Nach dieser Aussage war es still, bis sich der Wald lichtete und die Sicht auf eine grasgrüne Ebene frei gab. „Da hinten wohne ich!“, rief sie aufgeregt und zeigte auf das große Schloß, das sich am Horizont abhob. „Komm mich doch mal besuchen, Romeo!“, schlug sie vor. Er nickte langsam, als er leichten Wind an seiner Wange spürte, lächelte er und genoss das Kribbeln auf seiner Wange, das durch Julietts Kuss kam. Und so begann die ewig andauernde Zweisamkeit des Wolfsjungen.