„Der Elch und das Mädchen“

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Paula und Alexandra, 12 Jahre, Eching, Deutschland

* * * * *

Es war einmal ein Mädchen mit dunkelbrauner Haut, hüftlangen dunkelbraunen Haaren und strahlenden, saphirblauen Augen. Sie lebte in einem kleinen Dorf, das zwischen zwei großen Bergen lag. Doch sie wurde aufgrund ihrer Andersartigkeit von vielen Menschen nicht gemocht und fühlte sich oft ausgeschlossen. Eines Tages, als ihre Freundin sich den anderen anschloss und sich somit gegen sie stellte, wurde sie traurig und wütend. Ohne nachzudenken lief sie in den Wald. Immer tiefer und tiefer. Als es dämmerte, blieb sie stehen und sah sich um. Doch das Mädchen wusste nicht mehr, wo sie war und wie sie zurück nach Hause kommen sollte. Sie hatte sich verlaufen. Während sie hilflos auf einem großen Stein saß und nicht mehr weiter wusste, fing es an zu schneien. Viele dicke, weiße Schneeflocken fielen vom Himmel. Als sie so alleine dasaß und den Schneeflocken zusah, entdeckte sie eine kleine Höhle unter den mächtigen Wurzeln eines Baumes. Sie ging darauf zu und bemerkte, dass sie leer war. Sie beschloss, in der schützenden Höhle den nächsten Tag abzuwarten. Das Mädchen machte es sich auf dem Berg aus Moos getrockneten Gras gemütlich. Bald wurden ihre Augenlider immer schwerer, langsam fielen sie zu und das Mädchen glitt in das Reich der Träume. Am nächsten Morgen wachte sie auf und sah sich verwirrt um. Doch nach einem kurzen Moment konnte sie sich daran erinnern, was am Vortag geschehen war. Hastig stemmte sie sich auf und kroch aus ihrem Versteck. Im Morgenrot glitzerte der unberührte Schnee. „Guten Morgen Bonnie“, sagte eine tiefe Stimme hinter ihr. Erschrocken drehte sie sich um und sah einen großen, braunen Elch hinter sich stehen. Einige Sekunden verschlug ihr der Schreck die Sprache. Als sie sich wieder gefasst hatte, fragte sie: „Wieso kannst du sprechen und woher weißt du meinen Namen?“ Der schöne Elch antwortete seelenruhig: „Das Sprechen kann ich von Natur aus. Und deinen Namen kenne ich, weil ich dich kenne.“ „Und woher, bitteschön, kennst du mich?“ Jetzt war Bonnie total verwirrt. Träumte sie? Seit wann können Elche sprechen? Die dunkle Stimme des Tieres riss sie aus den Gedanken. „Steig auf, ich erkläre dir alles unterwegs. Ach ja, ich hab mich ja noch nicht vorgestellt. Ich bin Bruce.“ Bonnie ließ sich das Angebot aufzusteigen nicht zweimal machen. Sogleich versuchte sie, sich auf den Rücken des anmutigen Riesen zu ziehen. Doch es funktionierte  nicht. Bruce war einfach zu groß. Doch der schlaue Elch kniete sich nieder, so dass Bonnie ungehindert auf seinen Rücken klettern konnte. Als sie auf dem weichen Fell saß, erhob sich das Tier elegant und lief langsam los. „Wo wollen wir eigentlich hin?“, fragte Bonnie und strich dabei ihr Kleid zurecht. „Ich bringe dich wieder nach Hause zu deinen Pflegeeltern“, erklärte der Elch, „und du hast ja gefragt, woher ich dich kenne. Nun, das ist so: Meine Mutter war sehr stark mit deiner Mutter befreundet und ich wurde ein Jahr vor dir geboren. Meine Mama hat mir erzählt, dass ich sogar bei deiner Geburt zugesehen habe. Früher haben wir immer zusammen gespielt. Aber als deine leiblichen Eltern starben und du zu Pflegeeltern gegeben wurdest, habe ich dich nie wieder gesehen.“ Eine Träne rollte Bonnies zarte Wange hinunter. Sie konnte sich an ihre leiblichen Eltern nicht mehr erinnern. Eine ganze Weile durchquerten sie zusammen den lichtdurchfluteten Wald. Manchmal riss Bonnie ein paar Kräuter und schöne Blumen ab. Sie wusste auch nicht warum, doch sie hatte das Gefühl, dass sie diese irgendwann einmal brauchen könnte. Plötzlich raschelte es im Gebüsch und ein übernatürlich großer Bär sprang aus dem Dickicht auf sie zu. Der Elch stieg erschrocken auf die Hinterbeine, was zur Folge hatte, dass Bonnie herunterfiel. Schnell versteckte sie sich hinter einem schützenden Baum.  Bruce reagierte und schlug mehrere Male mit seinen kräftigen Vorderbeinen auf den Riesen mit leuchtend roten Augen ein. Nach mehreren harten Schlägen war der Bär geschwächt, doch seine schwere Tatze landete auf Bruce Brust und verletzte ihn. Mit letzter Kraft rammte dieser ihn noch mit seinem Geweih. Der Bär war endgültig entkräftet und verzog sich zurück in die Büsche. Bruce gewann den Kampf, doch das unnatürliche Wesen hatte ihn an seiner Brust verletzt, so dass er blutete. Erschöpft sank das Tier auf die Knie und atmete schwer. Auf merkwürdige Weise wusste Bonnie, was sie tun musste. Sie holte die Kräuter, die sie gesammelt hatte, aus ihrer Tasche und zerrieb sie mit einem großen Stein auf dem Boden. Sie nahm ein bisschen Schnee, ließ ihn in ihrer Hand zerschmelzen und vermischte ihn mit den zermahlenen Kräutern. Vorsichtig verschmierte sie die selbstgemachte Paste auf der stark blutendenden Wunde des Elches. Wenige Sekunden später war die Wunde spurlos verschwunden. Verwundert sah sie dem Elch zu, wie er sich wieder aufrappelte. Bruce erkannte ihren verwunderten Gesichtsausdruck und erklärte ihr alles: „Deine Vorfahren waren eine berühmte Hexenfamilie und du bist auch eine Hexe.“ Bonnie sah ihn verwirrt an: „Meinst du das wirklich ernst oder willst du mich nur auf den Arm nehmen?“ Der Elch schüttelte heftig den Kopf: „Warum sollte ich dich auf den Arm nehmen wollen? Natürlich sage ich die Wahrheit.“ Er beugte sich zu ihr hinunter und ließ sie wieder aufsteigen. „Den Rest erkläre ich dir unterwegs.“ Bonnie kuschelte sich in das warme, weiche Fell des Elches. Gemeinsam ritten sie zurück in das Dorf, wo Bonnie lebte. Sie stieg ab und rannte in ihr Haus. Bruce sah ihr traurig nach. Zwei Tage später traf Bonnie wieder auf Bruce. Aufgeregt erzählte sie ihm: „Bruce, Bruce ich darf jetzt auf ein Hexeninternat gehen, dorthin kann man ein Tier mitbringen. Wenn das für dich in Ordnung ist, würde ich dich mitnehmen.“ Bruce erwiderte darauf: „Ich würde sehr gerne mit dir mitkommen.“ So konnten die beiden für immer Freunde bleiben. Bonnie war keine Außenseiterin mehr und Bruce hatte seit langer Zeit wieder eine Familie.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.