„Das Herz des Lindwurms“

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Luna, 15 Jahre, Linz, Österreich

* * * * *

Es war einmal ein Mädchen namens Amaya, die mit ihrer Großmutter auf einem Berg tief im Wald lebte. Dort musste sie tagein und tagaus schuften und hatte nie ihren Frieden. Das lag daran, dass ihre Großmutter eine herrische, grausame Frau war, der man sich niemals wiedersetzen sollte. Amaya gehorchte ihr blind und wagte es nie, sie zu hinterfragen, obwohl sie wahnsinnig war. Denn ihre Großmutter war besessen von dem Traum, wieder schön und jung zu sein. Sie verbrachte viel Zeit damit, nach jenem Mittel, dass ihr das ermöglichen sollte, zu suchen. Nach jahrelanger Recherche fand sie es schließlich. Es war das Herz eines Lindwurms, das Wünsche erfüllen konnte. Doch sie wusste, dass mit dem Lindwurm nicht zu spaßen war, weshalb sie ihre Enkelin Amaya damit beauftragte, ihr sein Herz zu besorgen. Sie drückte ihr einen Dolch ihn die Hand und sprach: “Geh, Amaya, und bring mir das Herz des Lindwurms. Komm ja nicht ohne es zurück, sonst hacke ich dir deinen Kopf ab.“ „Das werde ich nicht, versprochen Großmutter“, antwortete sie eingeschüchtert, woraufhin sie sich sogleich auf den Weg machte.

Sie war unterwegs für sieben Tage und Nächte, überquerte Flüsse und Seen, wanderte durch Täler und über Wiesen und gelangte schließlich am Ziel ihrer Reise an, dem Heim des Lindwurms, ein zerfallenes, moosbewachsenes Gemäuer. Amaya betrat es mit wackligen Knien, der Dolch in ihren Händen zitterte. Sie schlich in dem Gemäuer herum, bis es Mitternacht war, aber sie fand den Lindwurm nicht. Todmüde fiel sie um und schmiegte sich an einen riesigen Felsbrocken heran. Sie schlief tief und fest bis die Strahlen des Sonnenaufgangs sie weckten. Amaya reckte und streckte sich schläfrig, doch im Morgenlicht erkannte sie, dass der vermeintliche Stein kein Stein war, sondern der schlafende Lindwurm. Sie sah ihre Chance und wollte sie erfassen. Sie zückte ihren Dolch während sie sich langsam dem Lindwurm näherte. Doch plötzlich erwachte er und blickte sie mit seinen pechschwarzen Augen an. Amaya erschrak und ließ ihre Waffe fallen, woraufhin das Ungeheuer zu sprechen begann.

„Bist du gekommen um mich zu töten?“, fragte er ruhig. „Das bin ich. Ist…nichts Persönliches,“ meinte Amaya, dann hob sie angsterfüllt ihren Dolch auf. „Das ist es nie, oder? Du willst mich töten, damit du mein Herz haben kannst, habe ich recht? Es soll dir deinen größten Wunsch erfüllen“, erkundigte sich der Lindwurm. Amaya starrte unwohl auf den Dolch, dass hier fühlte sich einfach nicht richtig an. „Soll es nicht. Es soll den Wunsch meiner Großmutter erfüllen. Sie will wieder jung und schön sein“, erklärte das Mädchen unglücklich. Der Lindwurm setzt sich auf, seine gelassenen Augen mustern sie interessiert. „Und was würdest du dir wünschen, wenn du es könntest?“ „Ich…ich weiß nicht so recht. Ich weiß nur, dass ich das hier nicht tun kann“, schluchzte sie. Amaya fing an zu weinen, Tränen kullerten ihre Wangen hinunter. „Aber wenn ich ohne dein Herz zurückkomme, bringt meine Großmutter mich um“, heulte sie. Der Lindwurm hatte Mitleid und erbarmte sich ihrer. Er sprach: „Wäre es dann nicht am besten, wenn du einfach nicht zurückkehrst? Sie wird denken, ich habe dich getötet und sie wird dich in Ruhe lassen.“ „Und wo soll ich hingehen? Ich habe sonst doch niemanden.“ „Dann bleib eben hier bei mir. Ich habe auch niemanden mehr. Sie sind alle vor langer Zeit gestorben. Mir fehlt die Gesellschaft und wenn du hierbleibst, kann ich auf dich aufpassen.“ Als er das sagte, erhellte sich ihre Miene hoffnungsvoll. „Das…das würdest du für mich tun?“ „Wieso denn nicht? Ich spüre, dass du eine gute Seele hast. Das reicht mir als Beweis um zu wissen, dass ich dich nicht fürchten muss. Also kannst du bleiben, solange du willst.“

Und das tat sie auch. Gemeinsam jagten sie und suchten Beeren, sie erzählten sich Geschichten und schliefen unter dem Sternenhimmel. Das Gemäuer wurde ihr Zuhause, die Tage, die sie zusammen verbrachten wurden zu Wochen und aus Fremden wurden Freunde. Endlich hatte Amaya einen Platz gefunden, wo sie gerne lebte, endlich hatte sie jemanden, der ihr etwas bedeutete. Sie konnten es einfach gemeinsam genießen, am Leben zu sein. Dies ging für viele Monate so, doch eines Tages als Amaya auf einer Wiese Blumen pflücken war, sah sie eine scheußliche Alte in der Ferne. Sie wusste sofort, dass die Frau ihre Großmutter war.

So schnell ihre Beine sie tragen konnten, lief sie zurück zum Gemäuer um ihren Freund zu warnen. Er schlief tief und fest, doch ihre panischen Schreie rissen ihn aus seinen Schlaf. „Lindwurm, Lindwurm, wach auf, wach auf! Sie ist hier! Meine Großmutter ist hier um dir dein Herz rauszuschneiden!“, kreischte sie hysterisch. „Wir müssen fliehen! Sofort!“, krächzte er, als er sich aufrichtete. „Nicht so schnell“, sprach die Frau. Die beiden wirbelten herum und da stand sie, direkt bevor ihnen. „Du hast mich betrogen, Amaya. Dafür verdienst du den Tod. Außer du gibst mir das Herz des Lindwurms.“ „Nein, niemals! Lieber sterbe ich!“, kreischte sie. „Wie du willst, du hattest die Wahl“, meinte ihre Großmutter. Daraufhin zündete sie ein Streichholz an und warf es auf den trockenen Boden. Binnen Sekunden waren die beiden von Flammen umhüllt.

„Es tut mir leid, jetzt musst meinetwegen sterben“, schluchzte Amaya. „Ich vielleicht, aber du nicht. Nimm mein Herz und rette dich selbst!“, befahl er. „Das kann ich nicht!“ „Bitte. Ich bin alt, du nicht. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir“, sprach der Lindwurm, als er sein Herz herausriss, „es ist mir mehr wert als mein eigenes.“ Mit diesen Worten schenkte er ihr sein Herz, dann sank er tot zu Boden. Sie weinte bitterlich, befleckt von seinem Blut. Doch bevor das Feuer sie verschlang, machte sie ihren Wunsch.

 

„Ich will wieder bei dir sein“, flüsterte sie. Alles um sie herum wurde schwarz und als sie wieder zu sich kam, schwebte sie über der Welt, gemeinsam mit dem Lindwurm. Die beiden waren zu Sternen geworden und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.