„Bis der Tod uns scheidet“

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Johanna, 13 Jahre, Wien

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Es war Hochsommer, fast schon Herbst und ich ging spazieren, um einen der letzten richtig warmen Tage zu genießen. Die Sonne verschwand gerade hinter den Hochhäusern und die Dämmerung brach herein, als ich plötzlich eine wunderschöne Stimme hörte. Ich folgte dem Gesang, bis ich vor einem offenen Fenster stand. Auf dem Fensterbrett saß ein junger Mann, kaum älter als ich, mit einer Gitarre auf dem Schoß und sang so schön, dass ich Gänsehaut bekam. Ich war wie in Trance und hörte seiner seidenweichen Stimme zu. Nach einer Zeit bemerkte der Unbekannte mich und schaute mich an. Schließlich grinste er und ich lächelte schüchtern zurück. „Wie heißt du?“, fragte der Fremde. Da ich so sehr von seinem Anblick fasziniert war, vergaß ich fast zu antworten. „Thalia“, meinte ich schnell. Er fragte, ob ich zu ihm kommen wollen würde, doch ich lehnte höflich seine Einladung ab. Der attraktive Sänger deutete mir kurz zu warten und verschwand, um kurz darauf mit einem Papierflieger wieder zu kommen. Er schoss das Flugzeug in meine Richtung und ich fing es auf. „Gute Nacht, Thalia“, wünschte er mir und verschwand vom Fenster. Glücklich machte ich mich auf den Heimweg. In meinem Zimmer angekommen, entfaltete ich das Papier. Eine Handynummer stand darauf, mehr nicht. Schnell speicherte ich die Nummer in meinem Handy ein und legte mich schlafen. Die ganze Nacht träumte ich von dem fremden Sänger mit den haselnussbraunen Haaren, dem umwerfenden Lächeln und der atemberaubenden Stimme.

Am nächsten Morgen schickte ich dem gutaussehenden Fremden eine Nachricht: „Guten Morgen, Mr. Unbekannt. Heute schon was vor?“ Er ließ sich mit dem Antworten  ewig Zeit, zumindest kam es mir so vor. Dann, beim Frühstück endlich die Erlösung: „Nein, noch nicht. Ich heiße übrigens Noah.“ Wir chatteten noch ein bisschen und verabredeten uns dann für das Kino. Mein Herz machte einen Hüpfer, so sehr freute ich mich auf das Date. Wir waren in einem kleinen Kaffee verabredet. Noah bestellte für uns beide Kaffee und Kuchen. Schnell waren wir in einem Gespräch vertieft. Wir hatten viele Gemeinsamkeiten und deshalb ging uns der Gesprächsstoff nie aus. Am Ende gingen wir glücklich und Händchenhaltend aus  Kaffeehaus. Eine Woche lang wir trafen uns jeden Tag. Er sang mir jeden Abend etwas vor und ich liebte es. Am Ende der Woche küssten wir uns zum ersten Mal. Es war ein wunderschöner Kuss mit viel Gefühl und Leidenschaft. Ich fing an, mich in Noah zu verlieben und wollte am liebsten jede Minute mit ihm zusammen verbringen. Kurz vor Weihnachten merkte ich, dass etwas nicht mit Noah stimmte. Es gab keinen Tag, an dem er sich nicht übergab oder Kopfschmerzen hatte. Seine Eltern wussten nicht, was es war oder sie verheimlichten es vor mir. Später erfuhr ich, dass er es war, der sie darum gebeten hatte, mir nichts zu erzählen.

Eines Nachmittags, wir lagen gerade in seinem Bett und schauten fern, machte er mir ein Geschenk, das mich bis heute zu Tränen rührt. Er schenkte mir einen Ring, in welchem unsere Initialen eingraviert waren. Ich bedankte mich und musste versprechen, ihn immer zu tragen, auch wenn er einmal nicht da wäre.An einem kalten Abend läutete plötzlich mein Handy und ich ging ran. Am anderen Ende war Noahs Mutter, die mich besorgt bat ins Krankhaus zu kommen. Ich machte mich sofort auf den Weg und als ich im Spital ankam, wurde ich von ihr empfangen und in sein Zimmer geführt. Ich rannte zum Bett meines Liebsten und begann zu weinen, nachdem ich sah, wie schlecht es ihm ging. Er war ganz weiß im Gesicht, unter seinen Augen waren tiefe Schatten, aus seiner Nase lief Blut und er war ganz mager. Ein Arzt kam in den Raum und erklärte, dass Noah nur mehr wenige Minuten zum Leben hätte. Der Schock saß tief, aber ich hatte keine Zeit, um ihn zu verarbeiten. Noah nahm meine Hand und sagte mit schwacher Stimme: „ Ich liebe dich und ich will, dass du das weißt. Bleib immer so fröhlich und humorvoll, so wie ich dich kennengelernt habe. Bitte, versprich mir, dass du so bleibst wie du bist!“ „Das schaff ich nicht“, meinte ich mehr zu mir selbst als zu ihm, aber er hörte es nicht mehr. Seine Augen waren geschlossen und sein Brustkorb hob und senkte sich nicht mehr. Tränen liefen mir über das Gesicht und ich schluchzte laut auf. In mir brach eine Welt zusammen. Die Trauer war so überwältigend, sodass ich zu Boden stürzte, mich zusammenrollte und einfach nur weinte. Niemand störte mich dabei und ich war sehr froh darüber.

Für die Erwachsenen bin ich ein unerfahrener Teenager, dennoch durfte ich bereits in sehr jungen Jahren erfahren, was bedingungslose Liebe ist. Ein Glück, das vielen Menschen ein Leben lang verwehrt bleibt. Ich bin dankbar ihn kennengelernt zu haben und werde ihn ewig in meinem Herzen tragen.