Märchenfiguren aus dem Daetz-Centrum 4: (Groß-)Mütterchen Immergrün

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In dieser Woche zeigen wir euch wieder ein besonderes Stück Holzkunst. Auch wenn das Märchen „Großmütterchen Immergrün“ wohl eher zu den unbekannteren gehört, so möchten wir es euch doch gerade jetzt vorstellen, symbolisiert es doch für manche den Frühling und den Aufbruch in eine wärmere Jahreszeit! Warum – das könnt ihr hier nachlesen.

Großmütterchen Immergrün.

„Es war einmal eine kranke Mutter, die hatte Herzweh nach Erdbeeren und schickte deshalb ihre beiden Kinder ins Holz, daß sie ihr welche suchten. Als das Körbchen voll war, keins aber hatte eine gegeßen, so lieb hatten sie die Mutter; da kam ein altes Mütterchen daher, das war ganz grün angezogen und sprach zu ihnen: »Ich bin hungerig und kann mich nicht mehr bücken, so alt bin ich; schenkt mir ein paar Erdbeeren.« Und sie erbarmten sich der alten Frau und schütteten ihr das Körbchen in den Schoß. Als sie hierauf forteilten, um andere zu pflücken, rief das Mütterchen sie zurück, nahm sie bei der Hand und sagte: »Nehmet die Erdbeeren nur wieder, ich finde doch schon; und weil ihr ein so gutes Herz habt, schenke ich dir eine weiße und dir eine blaue Blume. Nehmet sie wohl in Acht, bringt ihnen alle Morgen frisches Waßer, und zanket nicht mit einander!« Sie dankten und eilten nach Hause. Als die Mutter die erste Erdbeere an die Lippen brachte, da war sie gesund, und das hatte Großmütterchen Immergrün gethan; und als die Kinder die Geschichte erzählten, da dankte sie der holden Frau und freute sich der Kinder, und so oft diese die Blumen ansahen, die immer frisch und lieblich waren, gedachten sie an das Wort: »Zanket nicht mit einander!« Eines Abends jedoch entzweiten sie sich und giengen friedlos zu Bette; und als sie am Morgen die Blumen tränken wollten, siehe! da waren diese kohlrabenschwarz. Da erschraken sie, nahmen sie traurig in die Hand und weinten viele, viele Thränen auf die Blumen; und siehe! die weiße wurde wieder weiß, die blaue wieder blau. Seit dem Tage haben sie immer Frieden mit einander gehalten, und die Mutter hat sie gesegnet im Leben und im Tode, und sind also die Blumen ein großer Schatz für sie geworden, und haben sie Großmütterchen Immergrün lieb gehabt bis an ihren Tod.“

Quelle: Märchen und Sagen aus Hannover, Carl und Theodor Colshorn, Hannover 1854, Nr. 4, S. 17 – 18.