„Findet die Wahrheit“

Eingetragen bei: Wettbewerb: Alles Liebe oder was? | 0

Anna, 11 Jahre, Leonie, 12 Jahre, aus Pottenstein, Österreich

*****

Es war einmal ein düsterer Nebelabend vor langer Zeit. Zwei schwarz vermummte Reiter bahnten sich verzweifelt ihren Weg durch den sumpfigen Wald. Ein einsamer Wolf stieß einen Klagelaut aus seiner Kehle. Schließlich tauchten die Umrisse einer Holzhütte auf . . .

„Fang mich doch, wenn du kannst!“, lachte Marie ihrer Schwester Isabell zu. Die beiden Kinder tobten über die blühende Blumenwiese. „Warte bis ich dich erwische!“, quietschte das jüngere Mädchen zurück. Doch plötzlich verfinsterte sich der Himmel, Vögel flogen davon und ein Sturm zog auf. Rasch eilten die Geschwister in das schützende Haus. Als es schon heftig zu regnen begann, brach Isabell in Tränen aus. Lange war unter ihren vielen Schluchzern nichts zu verstehen. Schließlich schniefte die Kleine: ,, Die Puppe.“ Vor Sorge über die gemeinsame Puppe begann auch Marie zu weinen. Weil die Mutter ihre Kinder nicht leiden sehen konnte, stürmte sie zur Tür hinaus um den Schatz zu holen. Der eisige Wind blies beim Eingang herein. Nach scheinbar endlosen Sekunden kehrte die Frau zurück ins Haus. Leise hüstelnd überreichte sie den Mädchen das wertvolle Spielzeug. In der vierten Nacht darauf wurde Marie durch einen entsetzlichen Hustenanfall ihrer Mama aus dem Schlaf gerissen. Mit klopfendem Herzen huschte sie an das mütterliche Bett. Nach Atem ringend lag die Kranke auf der Matratze, vom Fieber schwitzend. Angstvoll zitternd versuchte das Kind einen Kräutertee aufzugießen. Doch da es so beschäftigt war, sich um ihre geliebte Mutter zu kümmern, bemerkte sie ihre kleine Schwester nicht. Diese beobachtete alles mit angstvoll geweiteten Augen. Erst als die fürsorgliche Schwester genauer hinsah, entdeckte sie die kleine Isabell, die sich tröstend an ihre Mutter schmiegte und sie gar nicht mehr loslassen wollte.

,, Meine lieben Kinder. Ihr seid etwas ganz besonderes. Die Puppe, die ich gerettet habe, soll euch euer ganzes Leben an mich erinnern und ein Zeichen eures Bundes sein.“ Da kamen allen die Tränen ,,Verlass uns nicht!“, bettelte die größere Tochter. Isabell konnte nichts sagen. Mit letzter Kraft gab die Mutter den Kindern noch mit: ,, Ich hab euch lieb! Findet die Wahrheit.“ Dann schloss die Mutter für immer ihre Augen und ihr Herz blieb stehen. Die restliche Nacht hielten die Kinder Wache bei ihrer Mama. Am nächsten Morgen gruben sie ihren Leichnam ein. Die Puppe war nun das einzige, was ihnen geblieben war. Nie wieder würden sie zu dritt am Feuer sitzen, gemeinsam mit ihr die Pilze kennenlernen oder die verletzten Waldtiere verarzten.

Lange Zeit herrschte großes Schweigen im Raum. Doch irgendwann ertönte eine zarte Stimme. Ein Licht erhellte den ganzen Raum. Da trat eine Fee auf sie zu. ,, Fürchtet euch nicht! Ich will euch helfen. Der Tod ist euch schwergefallen und ihr könnt es einfach nicht fassen. Doch ihr müsst eine Reise zu der letzten Person aus der Familie machen. Tante Sofie!“ Und so schnell das Wesen gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder. Marie und Isabell schauten sich fragend in die Augen. Aber die Kinder packten alles, was sie für eine Reise brauchen würden zusammen. Als sie vor der Haustür standen, leuchteten plötzlich einzelne Steine. Ohne sich umzudrehen marschierten die Geschwister los. Drei Tage waren nun schon vergangen und die Spur zeigte ihnen anscheinend tatsächlich den Weg. „Wir müssen bald da sein. Dort vorne sind die funkelnden Steine aus“, merkte Marie an. Doch plötzlich standen die Mädchen vor einem Drachen. Er wollte Marie verschlingen, doch Isabell kreischte: ,,Nimm mich!“ und sie wurde verschlungen. Dann stand Marie vor der Entscheidung, 1 Million Goldmünzen oder ihre Schwester haben zu können. Mit vollem Herzen schrie sie: ,,Isabell!“ Nachdem das Mädchen das gesagt hatte, standen beide wieder dort, wo sie vorher waren. Eine unsichtbare Kraft zog die Kinder zu einem Haus. Dort wurden sie überaschenderweise freundlich aufgenommen. ,,Meine Kleine“, sagte eine freundliche Frau. Verwirrt starrte Isabell das Weib an. Da begann die Frau zu erklären: ,, Du bist meine Tochter. Dein Vater und ich haben dich als Baby an meine beste Freundin gegeben, weil wir eine bessere Zukunft für dich wollten. Ich wusste, dass du einmal zu mir zurückkehren wirst.“ Ein Moment der Stille folgte. ,,Aber Marie wird für immer meine Schwester bleiben“, sagte Isabell. Nach diesem Satz wurde das tiefe Band ihrer Geschwisterliebe verewigt. Die Steine, die den Mädchen den Weg gezeigt hatten, waren aus purem Gold und sie konnten sich eine neue Heimat aufbauen. Von diesem Tag an wohnten die Kinder bei Isabells Mutter.

Viele Jahre später heirateten beide und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.